Hintergrund
Afghanistan ist von den Folgen eines andauernden bewaffneten Konflikts betroffen. Seit dem militärischen Sturz des Taliban-Regimes durch eine US-geführte Koalition und die afghanische Nordallianz im Jahr 2001 kämpfen in Afghanistan bis heute die Taliban, IS-Kämpfer, und andere bewaffnete militante Gruppen gegen die afghanische Regierung und mit ihr verbündete internationale Streitkräfte. Von diesem andauernden Konflikt ist auch die Zivilbevölkerung stark betroffen. Infolgedessen mussten im Jahr 2016 mehr als eine halbe Millionen Menschen wegen bewaffneten Konflikten und instabilen Staatsstrukturen flüchten.
Sowohl staatliche als auch zivilgesellschaftliche Strukturen sind nur schwach entwickelt oder fehlen völlig. Des Weiteren ist Afghanistan weiterhin von internationalen Hilfsgeldern abhängig. Der Wiederaufbau in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ist eine wichtige Voraussetzung für die weitere nachhaltige Entwicklung des Landes. Nationale Fachkräfte werden dringend gebraucht, sowohl von staatlichen Einrichtungen, als auch von Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen.
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Bildungssituation
Viel zu selten wird auf die Bildungsproblematiken – viel wichtiger – die Bildungschancen in diesem vom Krieg versehrten Land eingegangen. Afghanistan ist ein sehr junges Land, im Jahr 2016 waren fast zwei Drittel der Bevölkerung jünger als 25. Dies allein zeigt, wie wichtig eine gute Bildungssituation für Afghanistan ist, denn diese jungen Menschen werden in wenigen Jahren das Land formen und gestalten. Damit dies erfolgreich geschehen kann, ist eine solide und fachlich fundierte Ausbildung unabdingbar.
Die Bildungssituation in Afghanistan ist derzeit noch immer schlecht. Mit einer Alphabetisierungsrate von 38,2 Prozent, liegt sie weit unter dem internationalen Durchschnitt. Nur 52 Prozent der Männer und 24,2 Prozent der Frauen im Alter von 15 Jahren und darüber sind in Afghanistan schreib- und lesekundig (Schätzungen aus 2015).
Dies ist insbesondere im Hinblick auf die bildungspolitische Geschichte Afghanistans erstaunlich. Bereits 1904 öffnete die erste staatliche Schule nach westlichem Vorbild ihre Tore. 1932 wurde die erste Universität in Kabul gegründet. Insbesondere in den größeren Städten Afghanistans wie Kabul und Herat erreichte das Bildungswesen Ende der 60er Jahre mit der Gründung zahlreicher Schulen und der gleichberechtigten Teilnahme von Frauen und Männern an Vorlesungen seinen vorläufigen Höhepunkt. Mit dem Sturz des Königs Zahir Schah 1973, der Ausrufung der Republik, dem beginnenden Bürgerkrieg und der russischen Invasion im Jahr 1979 flohen viele Intellektuelle in Nachbarländer oder starben im Krieg. Sowohl die Zerstörung der Infrastruktur als auch die Erosion der Staatlichkeit beschleunigten den Zerfall des Bildungswesens. Mit der Machtergreifung der Taliban im Jahr 1996 wurde es Frauen verboten, die Schule zu besuchen. Bildung wurde fortan hauptsächlich von Koranschulen, sogenannten Madrassen, bereitgestellt und beschränkte sich auf die Lehre des Korans sowie einfache Lese-, Schreib- und Rechenkenntnisse.
Die Bildungssituation hat sich seit dem Sturz der Taliban 2001 substantiell verbessert. Momentan sind ca. 7 Millionen Schüler an afghanischen Schulen eingeschrieben. Leider gehen immer noch nur 37% aller Mädchen zur Schule. Die Lage in Afghanistan kann sich nur verändern, wenn es ausreichend gebildete Fachkräfte im Land gibt, die beim Aufbau eines flächendeckenden und geschlechterübergreifenden Bildungssystems mitwirken.
Ein Vielvölkerstaat
Afghanistan ist ein multiethnischer und vielsprachiger Staat. Es werden ca. 49 verschiedene Sprachen gesprochen. Die beiden großen Landessprachen, Dari und Paschtu, sind als offizielle Amtssprachen anerkannt. Die Paschtunen sind die größte ethnische Gruppe in Afghanistan und machen etwa 42% der Bevölkerung aus, gefolgt von den Tadschiken, welche 27% der Bevölkerung repräsentieren. Es gibt weitere große ethnische Gruppen wie die Aimaken, Turkmenen, Hazara, Usbeken oder das Nomadenvolk der Kuchi. Diese ethnische Vielfalt ist unter anderem durch die willkürliche Grenzziehung der englischen Kolonialisierung bedingt; beispielsweise wird durch die Durand-Linie zwischen Afghanistan und Pakistan das Siedlungsgebiet der Paschtunen geteilt.
Gesellschaft
Das Fehlen einer intellektuellen Elite und ein nur schwach ausgeprägtes Bürgertum führt zu einem Mangel an qualifiziertem Nachwuchs in Afghanistan. Doch nur mit gut ausgebildeten und effizienten Strukturen sowie erfolgreichen Unternehmen kann wirtschaftlicher Fortschritt und eine spürbare Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Menschen erreicht werden. Daher wollen wir die Gestalter von morgen fördern, um nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen.