Bevölkerung Sri Lanka – eine kleine, tränenförmige Insel die nur 20 km des indischen Ozeans von der Südostküste Indiens trennen. Die Insel beherbergt seit über 2000 Jahren die aus Nordindien stammenden Singhalesen sowie die aus Südindien eingewanderten Tamilen. Ihre Sprachen sind deshalb grundverschieden und untereinander nicht verständlich, weshalb das Englische wie in weiten Teilen Südasiens als Verkehrssprache dient. Die Insel, welche bei den Singhalesen Sri Lanka oder Serendip heißt, bei den Tamilen jedoch Ilangai, ist geringfügig kleiner als Bayern.
Die Singhalesen stellen mit 75% die Bevölkerungsmehrheit dar und sind überwiegend Theravada Buddhisten. Die häufig hinduistischen Tamilen sind mit 18% Bevölkerungsanteil eine Minderheit im Inselstaat. Die 7% Christen im Land sind sowohl Tamilen als auch Singhalesen, wohingegen die 10% Muslime überwiegend Tamilen sind. Die Gesamtbevölkerung Sri Lankas beträgt knapp 21 Millionen Menschen.
Sri Lanka selbst bezeichnet sich als ‚demokratische sozialistische Republik‘ die eine unitarische, parlamentarisch-demokratische Ordnung aufweist, welche die Stärke des Gesamtstaates gegenüber den neun Provinzen hervorhebt und fördert. Mahinda Rajapaksa betrat das Präsidialamt im Jahre 2005 in der Hauptstadt Colombo. Seine Regierung hat mit einer hohen Staatsverschuldung (79% des BIP) in Folge des Bürgerkrieges zu kämpfen. Noch heute ist der Staat stark vom Agrarsektor geprägt, der die traditionellen Produkte Tee, Gummi, Kokos, Reis, Zuckerrohr, Getreide, Obst und Gemüse wie auch tierische Produkte erwirtschaftet. Jedoch ist die Industrie auf knapp 30% des 59,4 Milliarden US Dollar umfassenden BIPs angestiegen und gewinnt zusehends an Bedeutung. Die tragende Säule des Landes stellt aber der Dienstleistungssektor, inklusive dem Tourismus und Handel dar, denn er steht bei beinahe 60% des BIPs. Ein Strukturdefizit lässt sich aber leider dennoch nachweisen, denn rund die Hälfte des Bruttoinlandsproduktes wird in der Gegend der Hauptstadt erarbeitet. Der Euro wird derzeit (Dezember 2017) in 180 Sri Lankanische Rupien umgetauscht. Das Land ist aber auch negativ für die Lage der Pressefreiheit mehrfach aufgefallen: So erreichte Sri Lanka im ‚World Press Freedom Index‘ im letzten Jahr lediglich den 162. Platz aus 179 Ländern.
Während der Kolonialisierung Sri Lankas durch Großbritannien im 20. Jahrhundert wurde die tamilische Minderheit durch die Kolonialherren stark bevorzugt. Diese setzten die oft schriftkundigen Tamilen als Verwaltungsangestellte ein, wodurch aus singhalesischer Sicht eine Identifikation dieser mit der Kolonialmacht stattfand. Im Zuge der Unabhängigkeit Sri Lankas 1948 wollten Singhalesen diesen Machtvorsprung beseitigen. Englisch und Tamil sollten als offizielle Sprachen abgeschafft und Sinhala als einzig zulässige Amtssprache eingeführt werden. Es kam zu bewaffneten Protesten, woraus sich auch verschiedene politische Strömungen auf tamilischer Seite formierten. Deren Bestrebungen reichten von Separation über den Anschluss an Indien bis zu föderalistischen Lösungen.
In den siebziger Jahren wurden Quotenregelungen geschaffen, die die Teilnahme an Hochschulbildung auf Grund der ethnischen und regionalen Zugehörigkeit zugunsten der ländlichen singhalesischen Bevölkerung und zum Nachteil der tamilischen Bevölkerung festlegten. Außerdem häuften sich gewalttätige Ausschreitungen gegen Tamilen. Auf Grund der zunehmenden Marginalisierung und der Zunahme der Jugendarbeitslosigkeit vermehrten sich bewaffnete Aufstände. Radikale, tamilische Gruppierungen formten sich, welche eigenmächtig und unabhängig von staatlicher Politik agierten und auch moderaten Tamilen gegenüber gewalttätig wurden. Besonders stach unter ihnen die Liberation Tigers of Tamil Ealam (LTTE) hervor. Mit der Zeit eskalierte der Konflikt, und im Juli 1983 tötete die LTTE bei einem Angriff auf einen Polizeiposten dreizehn Beamte. Die Empörung über diesen Akt löste einen landesweiten Pogrom an den Tamilen aus, dem über 1000 Zivilisten zum Opfer fielen. Dieser „Schwarze Juli“ markiert den offiziellen Beginn des Bürgerkriegs. Er wütete in Sri Lanka jahrzehntelang mit mehreren Unterbrechungen. Im April 2009 wurde er von der Regierung unter Rajapaksa durch die völlige Zerschlagung der LTTE beendet. Dieser Bürgerkrieg forderte über 80.000 Menschenleben, genaue Zahlen bleiben unbekannt.
Mit einer Alphabetisierungsrate von über 90%, einer Schulpflicht von 5 bis 14 Jahren und kostenloser staatlicher Schulbildung macht das Bildungssystem in Sri Lanka zunächst einen guten Eindruck.
Bei genauerem Hinsehen kommen jedoch Bedenken auf. So mangelt es, vor allem in ländlichen Gebieten, an gut ausgebildeten Lehrern oder Lehrern an staatlichen Schulen allgemein, da diese häufig lieber Privatunterricht geben. Das Lernniveau leidet darunter drastisch, zumal das das Niveau an Schulen und Universitäten ohnehin häufig sehr niedrig ist. Besonders im ländlichen Raum ist die Qualität des Englisch-Unterrichts nicht ausreichend, um anschließend ein englischsprachiges Studium, die allgemeine Vorlesungssprache in Sri Lanka, zu absolvieren. Dies führt zu extremen Qualitätsunterschieden zwischen Stadt und Land sowie öffentlichen und privaten Schulen. Unterschiede finden sich aber auch zwischen englischem, singhalesischem und tamilischem Unterricht. Doch nicht nur diese erheblichen Qualitäts- und Niveau-Unterschiede belasten die Familien aus ökonomisch schwächeren Familien und ländlichen Gebieten, es sind vor allem die versteckten Kosten für die benötigten Unterrichtsmaterialien und die Schul-Uniformen sowie der teils sehr weite Schulweg und die nicht bezahlbare, aber benötigte private Nachhilfe, die diese Jugendlichen benachteiligen.
Doch auch die Schüler, die die Hochschulreife erreichen, sehen harten Zeiten entgegen. 2005 bekamen nur 14,6% aller Bewerber einen Studienplatz zugeteilt, ca. 85% der Bewerber wurden aufgrund von Studienplatzmangel abgelehnt. Denn insgesamt gibt es an den 15 staatlichen Universitäten in Sri Lanka nur Plätze für gerade einmal 3% aller jungen Erwachsenen und nur 20% der Zugangsberechtigten können an den staatlichen Universitäten aufgenommen werden. Hinzu kommt, dass keine dieser öffentlichen Universitäten in den ehemaligen Bürgerkriegsgebieten liegt. Die teuren Privat-Institute sind aber für Familien aus dörflichen und verarmten Regionen unbezahlbar.
Aufgrund dieser harten Umstände sehen sich viele junge Menschen in Sri Lanka zur Abwanderung ins Ausland gezwungen, wodurch das Selbstheilungspotential der Inselwirtschaft ebenfalls wegzieht. Dies ist der Punkt, an dem wir als ‚Studieren Ohne Grenzen‘ ansetzen: Durch die gezielte Förderung von Jugendlichen, die bereits eine Vision zur Verbesserung ihres Landes haben, wollen wir die Abwanderung unserer Stipendiaten verhindern und somit zur Heilung der sozialen und ggf. auch wirtschaftlichen Lage einen Beitrag leisten.
Seit Januar 2015 hat Sri Lanka ein neues Staatsoberhaupt: Maithripala Sirisena hat bei der Wahl 51,3% der Stimmen erhalten und damit den bisherigen Präsidenten Mahinda Rajapaksa, der seit 2005 den Inselstaat regierte, abgelöst. Wie bedeutsam dieser Machtwechsel für das Land ist zeigt die Wahlbeteiligung von über 70%. Besonders in den mehrheitlich von Minderheiten bewohnten Regionen, wie im Norden und Osten, in den Küsten und im zentralen Hochland [1] wählten die meisten Menschen gegen Rajapaksa bzw. für seinen Kontrahenten, dennoch kam der Umbruch für die meisten überraschend. Der neue Präsident Sirisena sprach im Wahlkampf viel über Demokratie, Gerechtigkeit und den Kampf gegen Korruption.
[1] http://indi.ca/wp-content/uploads/2015/01/sri-lanka-presidential-election-2015-electoral-maps1.png
Nach dem Machtwechsel wurden bald einige Hoffnungen der Wähler Sirisenas erfüllt. Zum Einen veränderte sich das politische Klima in Sri Lanka. So wurde etwa im Rahmen der Feier des Unabhängigkeitstags 2015 die Nationalhymne erstmals auch auf Tamil gesungen. Bei der Parlamentswahl im August 2015 wurde das Wahlergebnis vom Leiter der Wahlkommission zuerst auf Tamil vorgetragen – vor 2015 undenkbar! Nach Berichten von Human Rights Watch bleiben seit dem Machtwechsel Aktivisten in Sri Lanka auch weitgehend unbehelligt von Verfolgung, Attacken und Überwachung. Bemerkenswert ist weiterhin, dass die neue Regierung gemeinsam mit den Vereinten Nationen im Oktober 2015 eine Resolution des UN-Menschenrechtsrates initiiert hat: Die Resolution verpflichtet Sri Lanka zur Aufklärung und Aufarbeitung aller im Bürgerkrieg begangener Verbrechen und zu einer Reformierung der Menschenrechte.
Die Aufbruchsstimmung in Sri Lanka wurde jedoch bald gedämpft:
Die Maßnahmen der Regierung zur Erfüllung der Vorgaben der UN-Resolution bezüglich der Aufarbeitung der Bürgerkriegsverbrechen erschöpfte sich in der Einsetzung eines praktisch kaum wirksamen „Office of Missing Persons“. Eine strafrechtliche oder völkerrechtliche Aufarbeitung dagegen ist bis heute nicht einmal begonnen worden. Das Militär besetzt weiterhin landwirtschaftliche Gebiete im Norden und Osten Sri Lankas, betreibt dort Hotels und siedelt dort Singalesen an. Außerdem ist der „Prevention of Terrorism Act“, eine Generalermächtigung für polizeiliche und militärische Willkür, noch immer in Kraft und wird bei Festnahmen weiterhin genutzt. Laut Human Rights Watch ist polizeiliche Folter noch immer üblich. Hunderte Tamilen bleiben verschwunden.
Die Regierung, die aus einer breiten Koalition gebildet ist, steht heute unter sehr hohem Druck. Sowohl innerhalb der Partei des Präsidenten Sirisena, der auch sein Vorgänger Rajapaksa angehört, als auch in der tamilischen Parteienkoalition, die ihre Interessen aufgrund des Stillstands nicht mehr berücksichtig sieht, gibt es starke Spannungen. Zudem steht das Land aufgrund ökonomischer Altlasten vor einem riesigen Schuldenberg.
Es bleibt daher zu hoffen, dass die Regierung und das Parlament die aktuellen Schwierigkeiten überwinden und es schlussendlich doch noch schaffen, die in sie gesetzten Erwartungen zu erfüllen und ein erneutes Aufkeimen des ethnischen Konflikts und die Rückkehr zu einem Alltag der Menschenrechtsverletzungen zu verhindern.
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